Gangwon Rundreise – Teil 3

Jeongseon

Am nächsten Morgen ging es mit dem ersten Bus nach Jeongseon. Am Vorabend hatten wir uns bereits schlau gemacht, wo denn der Zustieg zum Bus der Linie 100 möglich war. Das örtliche Busterminal in Sabuk liegt nämlich außerhalb auf halbem Wege nach Gohan, und das wäre dann doch ein kleiner Umweg für uns gewesen. Der Zustieg erfolgte jedoch mühelos. Um 7:20 fuhr der Bus am Terminal ab und war 10-15 Minuten später an unserer Haltestelle in Sabuk. Danach dauerte es noch etwa 1,5 Stunden bis wir am Ziel dieser Etappe angekommen waren.

Blick auf Jeongseon: am Flussufer steht „Ich vermiss dich, (kleines) Jeongseon“ geschrieben.

Jeongseon ist ein kleines Städtchen in der Provinz Gangwon, welchem 1973 auf Erlass des Präsidenten der Status eines Eup erteilt wurde, obwohl es mit gerade einmal 11.500 Einwohnern die eigentlichen Voraussetzungen von mindestens 20.000 Einwohnern nicht erfüllte. Der Landkreis selbst ist mit dreieinhalb mal so vielen Menschen bei 6-facher Fläche auch nicht gerade dicht besiedelt. Ich denke, dass darin auch der Grund des Erlasses lag. Man wollte hier lediglich ein Verwaltungszentrum schaffen und hat sich für das größte Städtchen im Umkreis entschieden. Da fragt man sich zwangsläufig, ob sich bei diesen Voraussetzungen überhaupt die Reise lohnt!? Die Antwort ist schnell gegeben! Jeongseon ist seit 2015 die Endhaltestelle des neuen A-Trains, welcher täglich um 8:20 Uhr von Seoul (Cheongnyangni) aus die Provinz Gangwon anfährt. Der Touristenzug trägt zudem den wundervollen Beinamen Arirang-Train und zeigt so beiläufig die historische Bedeutung der Gegend um Jeongseon auf. Hierher stammt das erste anerkannte immaterielle Kulturgut Südkoreas, das Volkslied Jeongseon Arirang. Dieses wird seit etwa 600 Jahren in der Gegend um Jeongseon gesungen. Im Jahr 1971 wurde das Volkslied offiziell in die Liste der Kulturgüter des Landes aufgenommen. Seit 2012 zählt das Jeongseon Arirang zudem zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe.

In diesem Falle war es jedoch nicht die Kultur, die uns nach Jeongseon zog. Koreanische Kultur kann man bekanntlich in weiten Teilen des Landes vermittelt bekommen. In diesem Falle sollte es ein wenig Erlebnistourismus sein. Auch dieser ist in Jeongseon möglich. In den sogenannten Ari-Hills befindet sich der beeindruckendste Skywalk des Landes, hoch über dem Dong-gang. Dieser Fluss hat sich über Jahrhunderte tief in den Fels gegraben und so eine wunderschöne Landschaft geformt. Da lohnt jeder Spaziergang. Wer Zeit hat, kann z.B. die zwei Kilometer lange Strecke vom Busterminal hinauf zum Skywalk zu Fuß zurück legen. Man muss hierbei auch nicht auf städtischen Komfort verzichten. Kurz bevor es die Straße hinauf zum Skywalk geht, findet man ein kleines gemütliches Café mit dem Namen Birkenbaum (자작나무). Dieses ist zwar leicht kitschig gestaltet, bietet aber eine herrliche kleine Terrasse mit Aussicht auf die „Stadt“ und zudem leckeren Kaffee. Es lohnt also ein Zwischenstopp vor dem kleinen Anstieg. Alternativ kann man auch einfach in den Shuttle-Bus einsteigen, der direkt vor dem Café abfährt. Das wussten wir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht. 😉

Nachdem wir also unser kleines Frühstück beendet hatten, ging es weiter hinauf zum Skywalk, immer der Straße entlang. Da kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Zudem ist es mal ganz interessant, die seitlichen Felder zu begutachten, die scheinbar ohne jegliche Maschinerie auskommen müssen, da ein Zugang für landwirtschaftliches Gerät nicht offensichtlich ist. Auch die Bauern auf den Feldern machten den Anschein, dass hier noch alles mit der Hand ausgesät, gepflegt und geerntet wird. Wie bereits an anderer Stelle dieses Blogs erwähnt, ist Anbaufläche in Korea rar und daher darf man gerade in den Bergen wohl nicht wählerisch sein. Interessant war dementsprechend auch ein Geräteschuppen, der trotz historischem asiatischem Gewand eher an eine kleine Berghütte in den Alpen erinnerte. Soviel aber nur am Rande.

Eine kleine Hütte, die zur Lagerung von landschaftlichem Gerät diente, unverschlossen versteht sich.

Oben angekommen ist der Zugang zum Skywalk leicht zu finden. Direkt neben dem Ticket-Häuschen (매표소), an welchem man für 5000원 pro Person sein Ticket lösen kann, befindet sich auch schon das Ende der Warteschlange. Wenn man allerdings frühzeitig kommt, und nicht gerade zu Zeiten der Danpung-Touristen (Zeit der Blätterfärbung) vorbei schaut, fällt diese nicht allzu lang aus. So war es jedenfalls bei uns an jenem Sonntag im Juli 2015. Die Konstruktion der Plattform wurde übrigens im September des Jahres 2010 fertiggestellt.[1] Ich denke also, dass man davon ausgehen kann, dass trotz der späten Anbindung durch den Arirang-Train hier bereits vorher Touristen vorbeischneiten und kurze Warteschlangen nicht unbedingt die Regel sind. Der Skywalk selbst wurde hinter einer Wand aus Milchglas versteckt, für irgendwas muss man ja schließlich noch bezahlen. Vielleicht lässt sich auch so noch der ein oder andere Besucher mit Höhenangst zum Betreten der Plattform ermuntern. Ich rate jedoch davon ab. 😉 Nach dem Betreten trennt Ihre Füße vom nächsten festen Boden nur noch eine dicke Schicht Panzerglas, die Füßlinge, die Sie sich über die Schuhe streifen dürfen, mal ausgenommen. Dementsprechend ist die Aussicht jedoch atemberaubend und jedem zu empfehlen, der hier Station macht.

Blick hinunter ins Tal des Flusses Dong.

Waghalsige Reisende sollten übrigens das Eintrittsticket nicht wegwerfen. Mit diesem kleinen Stück Papier bekommt man nämlich nebenan noch Rabatt auf eine weitere Attraktion der Ari-Hills, dem Zipwire.

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Mit dem Zipwire geht’s rasant nach unten!

Der Zipwire ist eine Art „Seilbahn“, mit der man atemberaubend schnell wieder ins Tal gelangt, hierfür muss man allerdings erst eine erneute Wartezeit in Kauf nehmen. Die schnellste und wohl sinnvollste Variante ist, sich unmittelbar nach dem Besuch des Skywalks am Ticketschalter des Zipwires anzustellen und die Tickets zu erwerben. Auf diesen ist dann die voraussichtliche Startzeit der persönlichen Fahrt vermerkt. Die Wartezeit lässt sich dann entweder mit einem Spaziergang in den Hügeln totschlagen, oder man entscheidet sich für einen kleinen Snack im Fastfood Restaurant Lotteria bzw. im benachbarten Café. Meine Empfehlung ist ganz klar der Spaziergang, da man entlang des Weges einfach noch mehr der atemberaubenden Landschaft sehen kann. Aber nicht nur das, man sieht auch, wie die Zipwire Piloten als winzig kleine Punkte im Tal verschwinden. Da fragt man sich, wie das Ganze wohl bei Dämmerung aussehen mag, wenn jeder der Teilnehmer mit verschiedenfarbigen Leuchtanzug die Fahrt antritt. Das gäbe bestimmt ein nettes YouTube-Video ab. 🙂

Nach dem kleinen Spaziergang, der sich dann doch eine ganze Weile hinzog, verblieb uns noch etwa eine halbe Stunde bis zum angesetzten Startzeitpunkt. Da jedoch keine Personen Schlange standen, begaben wir uns einfach mal auf die Startplattform, um zu sehen was passiert und siehe da, wir durften uns auch gleich anschnallen. Ein kleiner Tipp: Auf Trekkingrucksäcke sollten Sie verzichten, da wohl auch nur Personen bis maximal 100kg mit der Seilbahn nach unten befördert werden. Mein 28l Rucksack stellte jedenfalls bezüglich Gewicht und Volumen kein Problem dar, sonst hätten Mitarbeiter hoffentlich auf einen Missstand aufmerksam gemacht. Da das nicht der Fall war, konnte es auch gleich los gehen.

Vor der Abfahrt habe ich mir bezüglich der Höhe überhaupt keine Gedanken gemacht. Als sich dann allerdings die Metalltür öffnete und zwischen mir und dem Boden nur noch 300 Höhenmeter lagen, war ich von der Höhe schon überwältigt. Zeit, lange darüber nachzudenken, hat man allerdings nicht. Mit bis zu 90km/h geht es dann von 625 Höhenmetern hinunter ins Tal. Die Fahrt dauert etwa 1:20 min und endet auf 315 Höhenmetern. Mit ausgestreckten Armen und Beinen bremmst man ein wenig ab, einen großen Zeitunterschied wird das allerdings nicht machen. Während der Fahrt lässt sich übrigens schlecht fotografieren, daher sind Actioncams ratsam. 😉 Ich hab mich dazu entschieden, die Abfahrt mit meiner Sony DSC-RX100 II zu Filmen, ein Screenshot der Fahrt ist der folgenden Galerie beigefügt.

Wenn man dann nach der rasanten Fahrt wieder festen Boden unter den Füßen hat, kann man sich in dem kleinen Häuschen am Ende des Zipwires für das Familienalbum noch ein Foto drucken lassen. Der Preis des Ganzen liegt mit 10.000원 pro Bild noch im Bereich des Vertretbaren. Ein kleiner Tipp dazu von mir: Bleibt man während der Abfahrt auf gleicher Höhe zu seinen Nachbarn, ist man garantiert allein auf dem Foto. Eine Verzögerung der linken Personen resultiert in einem gemeinsamen Bild, wobei der Tiefenfokus der Kamera schon sehr präzise gewählt ist. Beeinflussen kann man das Ganze jedoch nur über den Luftwiderstand und der geeigneten Wahl seiner Nachbarn in Bezug auf Gewicht und Volumen der Personen.

Der kleine angrenzende Park am Ende  der Einflugschneise beherbergt mehrere Bänke zum Entspannen während man auf den Shuttlebus wartet. Zudem existiert ein kleines ökologisches Erlebniszentrum, welches dem interessierten Besucher ein wenig die Natur und die ansässige Tierwelt näher bringt, kostenfrei versteht sich. Der Shuttlebus stoppte in unserem Fall am Busterminal, so dass wir bequem unsere Weiterreise antreten konnten, die uns über Jecheon und Daejeon zurück nach Ulsan führte. Man muss allerdings dazu sagen, dass der Fahrplan in Jeongseon recht dünn ist, wenn man nicht gerade nach Seoul unterwegs ist. Stellenweise müssen lange Wartezeiten in Kauf genommen werden. Macht euch also vorher schlau, wann die Busse fahren.

[1] http://www.kado.net/news/articleView.html?idxno=573952

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